TV-Bericht, WDR; Freitag, 22. Oktober 2010, 18.20 - 18.50 Uhr

Geht es den Kaffeebauern im fairen Handel tatsächlich besser?

Mit gutem Gewissen genießen – das wollen immer mehr Kaffeetrinker. Und der Markt reagiert. Immer häufiger werden Bohnen aus nachhaltigem Anbau oder fairem Handel angeboten, sei es an der Kaffeebar im Zoo, an der Tankstelle bei Aral, bei Starbucks oder McCafé. Eine Vielfalt von Siegeln will garantieren, dass es den Kaffeebauern dadurch tatsächlich besser geht. Servicezeit: Essen & Trinken nimmt die wichtigsten unter die Lupe, um die Unterschiede herauszufinden.

Idealistischer Kaffeehändler

Holger Riep ist nebenberuflich Kaffeehändler. Für seine „Monimbó“-Sorte importiert er den Rohkaffee direkt von einer mittelständischen Plantage aus Nicaragua und vertreibt ihn in Deutschland über seine Internetseite. Riep ist mit dem Plantagenbesitzer befreundet und teilt mit ihm das Engagement, etwas gegen die Armut und das Analphabetentum in Nicaragua zu unternehmen. Dafür zahlt er pro Kilogramm Rohkaffee 30 Cent über dem Richtpreis, der an der New Yorker Warenterminbörse festgesetzt wird. Und Riep zahlt bereits zur Erntezeit, sodass die Arbeiter direkt entlohnt werden können und die Plantage weniger Kredite aufnehmen muss. In Deutschland wollte sich der Kaffeehändler dieses Engagement durch ein Gütesiegel bestätigen lassen. Seine erste Anlaufstelle: Die Organisation TransFair e.V., die das Fairtrade-Siegel vergibt – für Riep der Inbegriff des Fairen Handels.

Hohe Sozialstandards und demokratische Selbstverwaltung

Kleinbauern erhalten bei TransFair einen kostendeckenden, garantierten Mindestpreis.

In Entwicklungsländern wie Nicaragua leben viele der kleinen Kaffeebauern am Rande der Armut. Preisschwankungen an der Börse können ihre Existenz bedrohen.

TransFair will sie davor schützen: Die Kleinbauern können ihren Kaffee ohne Zwischenhändler direkt verkaufen und erhalten einen kostendeckenden, garantierten Mindestpreis. Langfristige Lieferbeziehungen und unter Umständen deutlich günstigere Kredite für die Bauern sind ein weiterer wirtschaftlicher Schutz vor den Härten des Weltmarktes. Eine Art Entwicklungshilfe.

Zusätzlich erhalten die Kleinbauern Prämien: 10 US-Cent pro englischem Pfund (ein englisches Pfund entspricht 453,6 Gramm) als Fairtrade-Prämie und 20 US-Cent, wenn sie dazu auch noch kontrolliert biologisch anbauen.

Im Gegenzug müssen die Kleinbauern zahlreiche Sozial- und Umweltstandards erfüllen und sich regelmäßig kontrollieren lassen. Eine ganz entscheidende Voraussetzung für die Zertifizierung ist außerdem, dass sich die Bauern in Kooperativen demokratisch selbst verwalten. So schließen sich bisweilen über 1.000 Bauern in einer Kooperative zusammen. Ziel ist es, dass die Kleinbauern gemeinsam entscheiden, ob mit der Fairtrade-Prämie etwa eine Schule neu eingerichtet, ein Lkw angeschafft oder eine Straße gebaut werden soll.

Für den kleinen deutschen Kaffeehändler Riep rückt aus diesem Grund das begehrte Fairtrade-Siegel für seinen Kaffee außer Reichweite. Er bezieht seinen Kaffee von der Monimbó-Plantage mit 50 festangestellten Arbeitern, keiner demokratischen Kooperative.

„Rainforest Alliance“: der grüne Frosch

Rainforest Alliance vergibt ein Siegel für nachhaltige Landwirtschaft.

Holger Riep ist auf seiner Suche dennoch fündig geworden – bei Rainforest Alliance. Die Organisation für Nachhaltigkeit hat die Monimbó-Plantage zertifiziert und als vorbildlich eingestuft.

Während TransFair e.V. einst aus der Entwicklungshilfe entstand, kommt Rainforest Alliance aus dem Umweltschutz. Die US-Organisation betont, wie wichtig nachhaltige Landwirtschaft für den Erhalt des Regenwaldes und anderer Ökosysteme ist. Das Siegel mit dem grünen Frosch bekommen daher nur Bauern, die zum Beispiel keine Urwälder roden, die Artenvielfalt schützen und auf Gentechnik verzichten. Einige Pestizide dürfen die Bauern allerdings einsetzen. Daher ist das Siegel der Rainforest Alliance kein Bio-Logo. Zusätzlich müssen die Bauern und Plantagenbesitzer zahlreiche soziale, arbeitsrechtliche Kriterien erfüllen und werden regelmäßig kontrolliert.

Anderes als TransFair zahlt Rainforest Alliance jedoch keine Festpreise, sondern setzt auf die Wettbewerbsfähigkeit der Kaffeebauern. Als Gegenleistung für die Auflagen werden sie geschult: Besseres Farm- Management führt zu höheren Erträgen und einer verbesserten Kaffeequalität. Die Farmer lernen besser zu verhandeln, um letztlich auf einem globalisierten Markt bestehen zu können.

Gegenwärtig ist der Börsenpreis für Rohkaffee hoch. Mit einem Nachhaltigkeitssiegel wie dem „Grünen Frosch“ lassen sich leicht Preisaufschläge erzielen. Erst die nächste Kaffeekrise wird zeigen, ob die neue Marktkraft der Kaffeeproduzenten ihr auch gewachsen sein wird.

Ernüchternde Marktanteile

Zertifizierter Kaffee verkauft sich mehr denn je, doch die Marktanteile bleiben bescheiden: Lediglich etwas mehr als 2 Prozent des weltweit produzierten Kaffees trägt den „Grünen Frosch“ oder das „Fairtrade“- Siegel. Auch in Deutschland erreichen die beiden Gütesiegel zusammen keine 3 Prozent Marktanteil. Immer noch greift der Verbraucher weit häufiger zum preiswerten Massenprodukt.

Die „4C“-Organisation für den Massenmarkt – Sprungbrett ohne Siegel

Der Zusammenschluss „4C“-Association (Common Code for the Coffee Community) erzielt hierzulande hingegen einen Marktanteil von inzwischen 8 Prozent. Der Zusammenschluss geht auf die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des Deutschen Kaffeeverbands zurück. Ihr Ansatz für mehr Nachhaltigkeit im Kaffeesektor: Die Messlatte muss runter. Standards wie Fairtrade oder Rainforest Alliance seien zu anspruchsvoll, um zum Richtmaß in der Massenproduktion zu werden. 4C schafft Basisgrundlagen für Nachhaltigkeit. Freiwillig verzichten die Mitglieder etwa auf die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, Rodungen in Wald-Schutzgebieten oder den Gebrauch geächteter Pestizide. Damit spricht 4C vor allem die großen Kaffeeplantagen an.

Mitglieder von 4C sind auch Röster wie Tchibo oder Handelsketten wie Aldi, die unterschiedliche Mengen des Kaffees in ihren Mischungen verwenden. Sie dürfen mit ihrer Mitgliedschaft und freiwilligem Engagement werben. Ein Siegel erhalten sie aber ausdrücklich nicht. Denn 4C soll ein Sprungbrett der Kaffeeproduzenten zu anspruchsvolleren Gütesiegeln sein – und diesen keine Konkurrenz machen.

Ein Kompass für Nachhaltigkeitssiegel

Wer über Fairtrade, Rainforest Alliance und weitere Zertifikate mehr erfahren möchte, kann sich auf der Seite „Label Online“ der Verbraucher Initiative e.V. einen Überblick verschaffen. Umfangreicher noch ist seit September das Informationsangebot der GTZ. Sie bietet das neue Portal „Kompass Nachhaltigkeit“ im Internet an, mit detaillierten Infos und direktem Vergleichen zwischen den Siegeln.

Autor:

Volker Gehrke

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